Bei einer Diskussion um die aktuelle wirtschaftliche Lage sagte ein guter Freund, dass es in Deutschland wohl wieder einmal einer richtigen Krise bedürfe. Einer Krise, die Zusammenhalt beschwöre, die ansporne aus einer Notwendigkeit heraus signifikant Fortschritt und wirtschaftlichen Erfolg anzukurbeln.

Nun ist das vielbeschworene “Wirtschaftswunder” Konsequenz eines (“zum Glück” - Kästner1) verlorenen (totalen) Weltkriegs gewesen, und in Anbetracht des unendlichen Leids dieser Zeit wirkt eine Verklärung des Wirtschaftswunders zynisch.


Ich bin heute mit dem Flieger aus Wien zurückgekommen, und es war ein Tag, wie gemacht für den Deutschen zum Nörgeln: es war zu heiß. Der Flieger kam zu spät an, so dass wir bereits beim Boarding 20 Minuten Verspätung hatten. Dann war unser Abflugslot weg und wir standen gut eine Stunde am Gate, bevor wir nochmal einige Minuten an der Startbahn warten mussten - und dann gings los. Zu allem Überfluss war der Mittelsitz entgegen meiner und der Hoffnung des Gangplatzbesitzers und mir dann doch belegt. Dann passierte erstmal nichts. Alle waren in ihren Realitäten, vermutlich, guter Dinge bald (endlich) wieder in Düsseldorf zu sein.

Dann begann es zu ruckeln. Erst leicht. Und als der Flieger dann spürbar an Höhe gewann dachte ich mir nur “das geht dann normalerweise auch wieder runter” - RUMMS.

Soweit nichts passiert, der Mittelplatzbesetzter entschuldigte sich bei allen im Umkreis, dass sein Bier gespritzt und alle getroffen hatte. Das Anschnallzeichen wurde flugs eingeschaltet, der “Service” (Germanwings, also: Verkaufsprozess) wurde eingestellt und ringsum sah man erschrockene Gesichter. Für das verschüttete und spritzende Bier hatten alle Verständnis. Wir saßen ja schließlich im selben Flieger. Für einen kurzen Moment hatten wir alle die gleichen Umstände erlebt. Und alle waren freundlicher zueinander. Ich habe noch nie erlebt, dass sich so viele Menschen beim Aussteigen voneinander verabschiedet haben.


Vielleicht brauchen wir wirklich eine Krise. Ich hoffe nur, dass es ein kleines Luftloch bleibt.


  1. Kästner - Die andere Möglichkeit und seine Anmerkung dazu: “[…]: Dieses Gedicht, das nach dem Weltkrieg »römisch Eins« entstand, erwarb sich damals, außer verständlichen und selbstverständlichen Feindschaften, auch unvermutete Feinde. Das »Zum Glück« der letzten Zeile wurde für eine Art Jubelruf gehalten und war doch eine sehr, sehr bittere Bemerkung. Nun haben wir schon wieder einen Krieg verloren, und das Gedicht wird noch immer mißverstanden werden.” ↩︎